Kassel / Berlin: Mandy Müller hat sich in ihrer im Sommer 2024 eingereichten Bachelorarbeit intensiv mit den behindertenpolitischen Positionierungen der AfD beschäftigt. Sie tritt neben dem Angebot von Empowerment-Schulungen für den Umgang mit Argumenten und Aktivitäten der AfD dafür ein, dass auch in den Reihen der Behindertenorganisationen verstärkt Aufklärung über die Positionen und Strategien der AfD in Sachen Behindertenpolitik betrieben werden muss. Max Prigge von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) führte folgendes Interview mit Mandy Müller aus Kassel für die kobinet-nachrichten.

Max Prigge: Vielen Dank für Ihre Zeit. Sie haben eine Bachelorarbeit über die Behindertenpolitik der AfD geschrieben. Was war Ihre Motivation, dieses nicht gerade leichte Thema für das eigene Wohlbefinden auszuwählen?

Mandy Müller: Das eigene Wohlbefinden wäre für mich als Mensch mit Behinderung definitiv auch gefährdet, wenn die AfD mit ihren Positionen durchkommt – und sei es auch nur dadurch, dass sie den gesellschaftlichen Diskurs so weit verschiebt, dass Menschenfeindlichkeit zur Norm wird. Dass die AfD menschenfeindlich agiert, weiß man – auch in der Wissenschaft. Speziell auf Menschen mit Behinderungen bezogen gibt es allerdings bisher sehr wenige Untersuchungen der AfD-Politik. Im Hinblick auf die immer stärker werdende Präsenz der AfD in der politischen und auch gesellschaftlichen Landschaft wollte ich ihre behindertenpolitischen Positionierungen auf Basis aktueller Programme vor allem für uns Betroffene einordnen und über ihre Strategie aufklären. Hinschauen ist gerade wichtiger denn je.

Max Prigge: Wie sehr hat sich seit den Anfängen der Partei die Politik und der Sprachgebrauch im Hinblick auf Menschen mit Behinderung bis heute verändert?

Mandy Müller: Die Anfeindungen gegenüber Menschen mit Behinderungen sind wesentlich subtiler geworden. Nachdem 2018 eine kleine Anfrage der AfD zum Thema „Behinderung und Migration“, in der Behinderung ganz offen als zu vermeidende Last dargestellt und weiterhin als Argument für Anfeindungen gegenüber Migranten verwendet wurde, für einen großen gesellschaftlichen Aufschrei sorgte, trat die AfD etwas auf die Bremse. Zwar gab es seither durchaus weitere offene Anfeindungen wie zum Beispiel von Björn Höcke oder Maximilian Krah. Generell inszeniert sich die AfD aber gern als Beschützerin der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Doch was sie fordert, beispielsweise im Wahlprogramm zur letzten Bundestagswahl, ist Separierung und Exklusion in allen Lebensbereichen – getarnt unter dem Deckmantel des Beschützertums.

Außerdem vertritt die AfD von Beginn an ein veraltetes und defizitorientiertes Modell von Behinderung und missachtet nicht nur die durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) festgeschriebenen Menschenrechte, sondern negiert diese stellenweise sogar. So spricht sie beispielsweise im aktuellen Grundsatzprogramm davon, dass im Bereich der schulischen Inklusion die Forderungen der UN-BRK bereits erfüllt seien und negiert so das Recht auf Teilhabe im Bildungsbereich.

Max Prigge: Die AfD hat bezugnehmend auf den offenen Brief der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) an die Gesundheitsministerin vom 30. Juli 2025 am 28. August 2025 eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, wo sie die von der ISL angesprochenen Missstände aufgreift. Wie beurteilen Sie diese kleine Anfrage im Hinblick auf Ihre Forschungen im Rahmen Ihrer Bachelorarbeit?

Mandy Müller: Die Anfrage zeigt genau diese Selbstinszenierung, von der ich vorhin sprach. Sie klingt auf den ersten Blick sehr sozial, ist aber in erster Linie als Instrument zu betrachten, der Regierung mangelnde Sozialpolitik für das „eigene Volk“ zu unterstellen, um ihre Hetzkampagne besser zu begründen. Weiterhin sieht man hier sehr anschaulich, dass die Gelegenheit genutzt wird, um einmal wieder aktuelle quantitative Daten über Menschen mit Behinderungen zu sammeln, was an sich schon für ein sehr defizitorientiertes Modell von Behinderung spricht. Auch hier schwingt vor allem der Tenor von Menschen mit Behinderung als Kostenfaktor mit, wie es bei den behindertenpolitischen Positionierungen der AfD häufig der Fall ist.

Ironischerweise beruft sich die AfD in ihrer Anfrage auf einen offenen Brief der ISL, obwohl die AfD selbst in keiner Weise jemals Forderungen vertrat, die die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen fördern würden – im Gegenteil. Die Stärkung der häuslichen Pflege ist der AfD ein großes Anliegen, auch im aktuellen Wahlprogramm ist diese Forderung festgeschrieben. Dies hat für die AfD zwei Vorteile: Erstens die Besetzung eines sozialpolitischen Themas, was durchaus relevant ist zur Wählergenerierung. Und zweitens würde mit der Stärkung der Pflege durch Angehörige, ohne dabei gleichzeitig auch Teilhabemaßnahmen wie zum Beispiel die persönliche Assistenz zu stärken, einen Rückzug von Menschen mit Behinderungen ins Private bewirken. Sie wären in der Gesellschaft weniger präsent, was dem diversitätsablehnenden Gesellschaftsbild der AfD natürlich zugunsten käme.

Zusammengefasst: Mit dieser kleinen Anfrage und der Instrumentalisierung der absolut berechtigten geäußerten Kritik der ISL schlägt die AfD gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe in Bezug auf ihre politische Strategie.

Max Prigge: Ist zu erwarten, dass die AfD die Behindertenpolitik immer mehr besetzen wird?

Mandy Müller: Das Thema Behindertenpolitik ist bei der AfD kein besonders relevantes. Dennoch wird sie, gerade in den Bereichen, in denen sie sowieso schon Forderungen stellt – wie schulische Exklusion, Stärkung des Systems der Werkstätten für behinderte Menschen und Pflege durch Angehörige –, auch weiterhin Stellung beziehen. Vor allem, wenn dies eine Möglichkeit darstellt, die aktuelle Regierung in punkto Sozialpolitik an den Pranger zu stellen und sich selbst als Beschützerin der (deutschen) Randgruppen darzustellen.

Max Prigge: Was raten Sie Betroffenen, wenn sie auf die Behindertenpolitik der AfD angesprochen werden? Vor allem auch im Hinblick darauf, dass ihr aktuelles Wahlprogramm erst beim zweiten Blick für Menschen mit Behinderung als negativ ersichtlich wird.

Mandy Müller: Vor allem ist das Wahlprogramm ganz stark im Kontext dessen zu betrachten, was die AfD in Bezug auf Behindertenpolitik NICHT fordert. Wörter wie Barrierefreiheit oder -abbau, Teilhabe oder Selbstbestimmung kommen in diesem Kontext nicht vor. Und das zu benennen, ist meine erste Empfehlung. Die zweite ist, zu erklären, was die Forderungen der AfD tatsächlich bedeuten, nämlich: wenig bis gar keine schulische Inklusion, keine Teilhabe am Arbeitsleben, zumindest nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt, und Rückzug ins Private – kurz: Sonderwelten, Separierung und Exklusion.

Außerdem würde ich stets auf die UN-Behindertenrechtskonvention und die darin festgeschriebenen Menschenrechte für Menschen mit Behinderung verweisen, die von der AfD konsequent ignoriert werden. Und zuletzt würde ich auf die generelle Tatsache verweisen, dass die Idealvorstellung der AfD einfach gesagt ein homogenes deutsches Volk ist. Da haben Menschen, die in irgendeiner Weise als „anders“ gesehen werden könnten, keinen Platz.

Max Prigge: Was raten Sie Verbänden wie Selbstvertretungsorganisationen oder anderen Behindertenverbänden, wie sie mit der AfD umgehen sollten?

Mandy Müller: Ich rate zu mehr Aufklärung in den eigenen Reihen über die Strategie der AfD, auf die man leicht hereinfallen kann. Und ich wünsche mir mehr stärkende, empowernde Maßnahmen gegen rechts. Veranstaltungen wie „Gegen rechts argumentieren lernen“ oder „Selbstbehauptung trotz Rechtsruck“ oder etwas in der Art würde ich sehr begrüßen. Wir als Betroffene sollten dieses Thema viel mehr auf dem Schirm haben und in unsere Arbeit mit aufnehmen. Die Initiative „Krüppel gegen Rechts“ ist hier ein toller Anfang!

Max Prigge: Vielen Dank für das Interview.

Link zur Vorstellung der Bachelorarbeit von Mandy Müller von H.-Günter Heiden

Link zum offenen Brief der ISL

Link zur Kleinen Anfrage der AfD im Bundestag

In Kassel wurde nun auch eine Regionalgruppe „Krüppel gegen Rechts“ gegründet. Am 17. Mai 2025 wurde die bundesweite Initiative *Krüppel gegen Rechts* als menschenrechtsorientierte, zivilgesellschaftliche und parteiunabhängige Bewegung gegründet. Nun gibt es auch eine Regionalgruppe in Kassel!

Das nächstes Treffen der Kasseler Gruppe findet am 21. Oktober 2025 um 17:00 Uhr im Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (ZsL), Samuel-Beckett-Anlage 6 in Kassel statt. Die Kasseler Regionalgruppe orientiert sich an den Zielen und Grundsätzen der bundesweiten Initiative und setzt sich unter anderem ein:

• für die Garantie und Umsetzung aller Menschenrechte

• für die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen

• für die Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens

• für Demokratie und Inklusion

• gegen rechtspopulistische Ideologien

• gegen Ableismus, Sexismus, Rassismus und alle weiteren Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

• gegen alle Versuche, ein Leben mit Beeinträchtigung als minderwertig darzustellen

Wer beim nächsten Treffen dabei sein oder in der Gruppe mitmachen möchte, kann sich per Mail unter kassel@krueppel-gegen-rechts.de anmelden.

Am Freitag, den 3. Oktober 2025, wurde der Tag der Deutschen Einheit begangen. In Erfurt hat das Auf die Plätze Bündnis Erfurt eine Demonstration organisiert, weil die AfD auf dem Theaterplatz ein Familienfest veranstaltet hat. Nancy Frind bekam dort die Möglichkeit, im Namen der Initiative Krüppel gegen Rechts auf der Kundgebung zu sprechen.

„Das war mir sehr wichtig. In meiner Rede habe ich betont, dass es uns gibt und dass wir uns am 17. Mai 2025 als Gruppe gegründet haben. Inzwischen sind wir schon viele Menschen in ganz Deutschland – Menschen mit und ohne Behinderung, die bei uns herzlich willkommen sind. Unser Ziel ist klar: Wir wollen für Demokratie, Vielfalt und Mitbestimmung eintreten. Das schaffen wir, indem wir viele sind und indem wir uns engagieren. Besonders wichtig war mir eine Aussage, die ich mit in die Rede genommen habe. Björn Höcke behauptet, Inklusion sei ein ‚Ideologie-Projekt‘. Wir sagen dazu klar: ‚Nein! Inklusion ist ein Menschenrecht. Wenn die AfD versucht, uns zu spalten, antworten wir: Wir stehen gemeinsam für Vielfalt zusammen.‘ Ich habe außerdem betont, wie wichtig es ist, dass wir miteinander im Gespräch bleiben. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass mir das Auf die Plätze Bündnis Erfurt die Möglichkeit gegeben hat, einen Redebeitrag zu halten“, berichtet Nancy Frind.

Markus Walloschek von Krüppel gegen Rechts berichtet, dass bei der Gegendemo in Erfurt fast 1.000 Menschen teilgenommen haben, um ein Familienfest der AfD mit ca 350 Menschen demonstrativ zu hinterfragen. Die Initiative Krüppel gegen Rechts war mit 7 Teilnehmer*innen sichtbar vertreten. Markus Walloschek hat Taschen, Mützen und viele Pfeifen mit SpendenQRCodes verteilt und dann ging der „Rundgang“ durch die Innenstadt bis zur regegenbogengeschmückten Oper auf Sichtweite der AfD.

Video von Markus Walloschek

vorgestellt von H.- Günter Heiden

Veröffentlichungen zu den rassistischen und menschenverachtenden Positionen der AfD gibt es zuhauf, insbesondere zum Bereich „Migration“. Dagegen sind Aufsätze und Analysen zu den AfD-Positionen im Politikfeld „Behinderung“ und „Inklusion“ leider noch Mangelware. Dabei sorgten in den letzten Jahren die Äußerungen der AfD-Politiker Björn Höcke zur schulischen Inklusion („Ideologieprojekt“ und „Belastungsfaktor“) sowie von Maximilian Krah zu Tagesschau-Nachrichten in Einfacher Sprache („Nachrichten für Idioten“) für die eindeutigen Belege der rechtsextremen Gesinnung ihrer Politik- Darsteller. Es wird deshalb höchste Zeit, sich auch aus wissenschaftlicher Perspektive genauer mit den Positionen der AfD und ihren Akteuer*innen zu befassen. Da kommt eine aktuelle (und bislang unveröffentlichte) Bachelor-Abschlussarbeit am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel gerade richtig.

Die Autorin Mandy Müller hat ihrer Arbeit den Titel „Behindertenpolitische Positionierungen der AfD“ gegeben und konzentriert sich dabei (neben dem Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016) auf das Programm der AfD zur Bundestagswahl 2025. Dieses untersucht sie vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention und verwendet dabei das Analyse-Element der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF), ein bewährtes soziologisches Instrumentarium, das an der Universität Bielefeld bereits Anfang 2000 unter anderem vom Soziologie-Professor Wilhelm Heitmeyer entwickelt wurde. Mit GMF meint Heitmeyer ein „breites Spektrum von offenen und verdeckten (feindseligen) Einstellungen und Orientierungen gegenüber markierten sozialen Gruppen“.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Analysekriterium

Kennzeichnend für GMF sind nach Müller drei Dimensionen: Erstens: Das Ausspielen einer „Ingroup“ gegen eine andere „Outgroup“, wobei letztere abgewertet und die eigene „Ingroup“ aufgewertet wird. Zweitens: Utilitaristische Kalküle, also die Bewertung von Menschen nach ihrem gesellschaftlichen Nutzen. Drittens: Die Konsequenzen aus den Abwertungsmechanismus, also die Folgen der Abwertung. Auf dieser Basis untersucht Müller vier inhaltliche Komplexe der Behindertenpolitik, wie sie in den untersuchten Dokumenten der AfD dargestellt werden: schulische Inklusion, Werkstättensystem, Pflege durch Angehörige sowie abwertende Sprache. Ergänzend untersucht sie eine Kleine Anfrage der AfD zu Migration und Behinderung der AfD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2018. Diese vorliegenden Dokumente sind laut Müller für Menschen mit Sehbeeinträchtigung zwar alle barrierefrei lesbar, es gebe sie jedoch nicht in Leichter Sprache und Begriffe wie Barrierefreiheit, Barriereabbau oder Teilhabe seien nicht zu finden.

Müller stellt dann in ihrer ausführlichen Analyse fest, dass GMF bei der AfD nicht als „vereinzelte rhetorische oder programmatische Entgleisung“ stattfindet, sondern als strukturelles Element vorhanden ist, durch das behinderte Menschen systematisch ausgegrenzt und abgewertet werden. Perfiderweise argumentiert die AfD dabei unter dem Deckmantel als vorgebliche „Beschützerin der Menschen mit Behinderungen“, die natürlich nur zu ihrem eigenen Wohl in exkludierenden Sonderwelten leben sollen.

In ihrem Fazit schreibt Müller zum Schluss ihrer Arbeit: „Die behindertenpolitischen Positionierungen der AfD sind defizitorientiert und menschenfeindlich. Dies geht automatisch auch mit einer Demokratiegefährdung einher. Sie zielen auf eine systematische Ungleichwertigkeit gesellschaftlicher Gruppen ab und untergraben damit zentrale Prinzipien demokratischer Verfasstheit wie Integrität und Solidarität.“ Aus meiner Sicht ist Müller mit ihrer Arbeit gelungen, auf einer wissenschaftlichen Basis die menschenrechtswidrige Behindertenpolitik der AfD offenzulegen. Wünschenswert wären viele weitere Analysen aus den Reihen der Hochschulen, zumal im Jahr 2026 wichtige Landtagswahlen anstehen und zu vermuten ist, dass sich die AfD weiterhin in den medialen und politischen Vordergrund spielen will.

Link zum Bericht des NETZWERK ARTIKEL 3 mit einem Link zur Bachelorarbeit

Weitere Lesetipps zum Thema

Dieser Text wäre aber nicht vollständig, wenn er nicht auf zwei weitere aktuelle Publikationen zum Thema verwiese. Da ist einmal Jan Riebe zu nennen. Er ist Bildungsreferent bei der Amadeu Antonio Stiftung für Rechtsextremismusprävention und hat 2024 einen Aufsatz unter dem Titel „Ideologieprojekt Inklusion: Positionierungen der AfD zu Inklusion als Ausdruck ihres rechtsextremen Weltbildes“ (https://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jparticle_01384026) veröffentlicht.  Riebe untersuchte anhand der bis Ende 2023 erschienenen Wahl- und Grundsatzprogramme der AfD den Bereich der schulischen Inklusion. Er attestiert der AfD in seinem Aufsatz „zumindest in Teilen eine massive Menschenverachtung“, sie betrachte die Inklusion als „Teil eines Kulturkampfes“.

Außerdem möchte ich auf Dagmar Herzog hinweisen. Sie ist US-amerikanische Historikerin und Professorin für Geschichte an der City University of New York und konstatiert in ihrem just erschienenen Buch „Der neue faschistische Körper“ eine „obsessive Behindertenfeindlichkeit als elementarer Grundbaustein des AfD-Programms“. Ein Interview mit der taz zu ihrem lesenswerten Buch ist nachzulesen unter https://krueppel-gegen-rechts.de/2025/09/10/die-afd-ist-so-obsessiv-behindertenfeindlich-wie-keine-andere-rechtslastige-bewegung/.

Erfurt: Die AfD will mit Björn Höcke in Erfurt am Tag der Deutschen Einheit ein „Familienfest“ feiern. Das Bündnis „Auf die Plätze“ ruft zur Gegendemonstration auf dem Erfurter Bahnhofsvorplatz am 3. Oktober 2025 um 13:30 Uhr auf. Markus Walloschek wird dabei nicht nur für die Initiative Krüppel gegen Rechts an der Gegendemonstration teilnehmen, sondern ruft dazu auf, dass möglichst viele an diesem Tag für die demokratischen Werte auf die Straße gehen. Zudem wird Nancy Frind in einem Redebeitrag auch Stellung für die Initiative Krüppel gegen Rechts beziehen.

„Am 3. Oktober versucht die AfD es erneut, Erfurt zu vereinnahmen. Das wollen und können wir nicht unwidersprochen lassen!“, heißt es auf der Facebook-Seite der Initiative „Auf die Plätze“.

Link zum Facebook-Eintrag der Initiative Auf die Plätze zur Gegendemo in Erfurt

Björn Höcke hatte vor allem auch unter behinderten Menschen und ihren Verbänden mit der Bezeichnung der schulischen Inklusion als Ideologieprojekt Empörung ausgelöst.

Link zu weiteren Infos zur Initiative Krüppel gegen Rechts

Kassel: Seit einigen Monaten engagieren sich Menschen mit verschiedenen Behinderungen in der Initiative „Krüppel gegen Rechts“ und zeigen mittlerweile auch bei verschiedenen Veranstaltungen Flagge. So auch bei der Disability Pride Demo, die am 27. September 2024 durch die Kasseler Innenstadt zog. Nancy Frind hatte gleich zwei ihrer Flaggen von „Krüppel gegen Rechts“ mitgebracht, mit denen auf die zunehmende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hingewiesen und vor dem Rechtsruck – vor allem durch das Erstarken der AfD und der mit ihr verbundenen Ideologie in der Gesellschaft – gewarnt wurde.

Link zur Internetseite der Initiative Krüppel gegen Rechts

Link zum Bericht über die Disability Pride Demo vom 27. September 2025 in den kobinet-nachrichten

„Für die AfD gehören Behindertenfeindlichkeit und Rassismus zusammen, sagt Dagmar Herzog.“ So heißt es in der Ankündigung des Beitrags mit dem Titel „Die Fantasie vom schönen Volk“, der am 7. September 2025 in der taz erschienen ist. Im Interview berichtet die Historikerin Dagmar Herzog über rechte Körperkultur und was dies mit Behindertenfeindlichkeit zu tun hat. Und sie betont: „Die AfD ist so obsessiv behindertenfeindlich wie keine andere rechtslastige Bewegung.“

Im Interview heißt es u.a.:

taz: Sie leben in New York. Ihre These von der Faschisierung illustrieren Sie mit Kampagnen der AfD in Deutschland. Warum?

Herzog: Besonders im Umgang mit geistiger Behinderung wirkt in Deutschland noch vieles aus der NS-Zeit nach. Die AfD ist so obsessiv behindertenfeindlich wie keine andere rechtslastige Bewegung. Weder in Ungarn noch Brasilien finden Sie dieses Wüten gegen Integration behinderter Menschen, das die AfD in jedem regionalen Parteiprogramm betreibt. Ich habe mich gefragt: Warum will man vor allem geistige Behinderung wieder unsichtbar machen?

taz: Wie lautet Ihre Antwort?

Herzog: Ich glaube, eins der Kalküle am Schlechtreden von Inklusion ist: Wenn man Menschen mit Beeinträchtigungen wieder aus dem Blickfeld der Kinder bringt, dann lernen sie gar nicht erst die Empathie und die Solidarität, die ein wichtiger Teil des Menschseins sind. Ich habe mit vielen jungen Leuten in Deutschland geredet. Manche sind in Inklusionsklassen und finden das toll. Ich habe auch viele gelingende Inklusionsklassen besucht. Aber es ist nicht die Mehrheit, vielerorts wird Inklusion gar nicht umgesetzt. Mancherorts sind Lehrer und Schulen damit auch überfordert.“

Link zum vollständigen Interview in der taz

Nancy Frind mit Fahne von Krüppel gegen RechtsAm Samstag, den 6. September 2025, fand in Erfurt der Christopher Street Day (CSD) statt. Mit dabei war Nancy Frind, die dort einen Redebeitrag hielt und damit auch die Stimme behinderter Menschen hörbar machte. „Als Aktivistin für Menschen mit Behinderungen war es mir wichtig, deutlich zu sagen: Vielfalt und Sichtbarkeit sind entscheidend. Wir müssen gemeinsam stark sein – und auch laut“, betonte die Thüringerin, die auch für die Initiative Krüppel gegen Rechts warb und Flagge zeigte.

Stimme für die Rechte behinderter Menschen beim CSD in Erfurt erhoben

„Ich möchte mich für all die Einladungen zu verschiedenen CSDs bedanken, bei denen ich bereits sprechen durfte. Auch als Vertreterin des Landesverbands für Frauen mit Behinderungen in Thüringen (LaFiT) konnte ich immer wieder dabei sein – dort war es mir besonders wichtig, als Frau mit Behinderung sichtbar zu sein und dieses Thema stark zu machen. Das ist nicht selbstverständlich und ich bin sehr dankbar dafür. Diese Plattformen geben uns die Möglichkeit, laut zu sein, sichtbar zu werden und zu zeigen: Uns gibt es! All das mache ich ehrenamtlich – und gerade deshalb erfüllt es mich mit großem Stolz, meine Stimme zu erheben. Immer wieder habe ich auch Werbung für Krüppel gegen Rechts gemacht – denn Vielfalt, Sichtbarkeit und ein klares Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung sind Themen, die uns alle angehen. Für uns Menschen mit Behinderung ist es besonders wichtig, dass unsere Perspektiven nicht übersehen werden“, berichtet Nancy Frind. Für sie ist es auch wichtig, ihre Stimme für diejenigen zu erheben, die es aus verschiedenen Gründen nicht können.

Das nächste Online-Austausch-Treffen der Initiative Krüppel gegen Rechts findet übrigens am 15. September 2025 um 17:00 Uhr statt. Diejenigen, die Interesse haben, in den Verteiler der Initiative Krüppel gegen Rechts aufgenommen zu werden, können sich mit einer E-Mail an folgende Adresse wenden: hgh@krueppel-gegen-rechts.de

Link zur Homepage von Krüppel gegen Rechts

Das nächste Online-Austausch-Treffen der Initiative Krüppel gegen Rechts findet am 15. September 2025 um 17:00 Uhr statt. Diejenigen, die Interesse haben, in den Verteiler der Initiative Krüppel gegen Rechts aufgenommen zu werden, können sich mit einer E-Mail an folgende Adresse wenden: hgh@krueppel-gegen-rechts.de. Dort kann man sich auch für die Online-Treffen anmelden.

Marburg: Der Andrang zur Eröffnung der Ausstellung mit dem Titel „Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus“ zur Nazi-„Euthanasie“ in Marburg war größer als erwartet. „Die 70 Plätze im großen Ausstellungssaal des katholischen Begegnungshauses ‚KA.RE.‘ reichten bei weitem nicht aus. Obwohl noch Stühle in den Saal hineingestellt wurden, mussten mehrere Interessierte die Ausstellungseröffnung am 22. August 2025 stehend verfolgen, was sie angesichts des berührenden Programms aber allesamt durchhielten. Die Ausstellung ‚Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus‘ ist bis Donnerstag, 30. Oktober 2025 im Katholischen Begegnungshaus ‚Ka.Re‘ in der Biegenstraße 18 in Marburg zu sehen.“ Darauf macht Franz-Josef Hanke in seinem Beitrag über die Ausstellungseröffnung für die kobinet-nachrichten aufmerksam.

 Bewegende Ausstellungseröffnung zur Nazi-„Euthanasie“ in Marburg

Beitrag von Franz-Josef Hanke

Der Andrang zur Ausstellungseröffnung war größer als erwartet. Die 70 Plätze im großen Ausstellungssaal des katholischen Begegnungshauses „KA.RE.“ reichten bei weitem nicht aus. Obwohl noch Stühle in den Saal hineingestellt wurden, mussten mehrere Interessierte die Ausstellungseröffnung am Freitag (22. August 2025) stehend verfolgen, was sie angesichts des berührenden Programms aber allesamt durchhielten. Die Ausstellung „Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus“ ist bis Donnerstag (30. Oktober) im Katholischen Begegnungshaus „Ka.Re“ in der Biegenstraße 18 in Marburg zu sehen. Sie ergänzt die Wanderausstellung „Die nationalsozialistischen ,Euthanasie‘-Morde“ um einen Ausstellungsteil der Arbeitsgruppe „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ im „Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ über „Euthanasie“ in Marburg.

„Wir sehen, wo es endet, wenn Hass und Hetze, wenn Unmenschlichkeit und Abwertung von Menschen regieren“, warnte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Wir sehen, was passiert, wenn Menschen nach ihrer ,Nützlichkeit‘ bewertet und ihre unveräußerliche Würde mit Füßen getreten wird.“ Besonders beeindruckt zeigte sich der Oberbürgermeister von der Ergänzung der Wanderausstellung durch Dokumente und Informationen zur Marburger Verfolgungsgeschichte. „Nirgends ist die Notwendigkeit von Demokratie so handgreiflich sichtbar wie hier.“

Der Initiator des Ausstellungsprojekts ging das Thema grundlegender an: „Wer bestimmt eigentlich, was normal ist und was nicht?“ Diese Frage nahm Bernd Gökeler zum Anlass für weitere Fragen an das Publikum: „Was bringt sie eigentlich zu der Erwartung, dass der Saal hier für sie bestuhlt ist? Wieso halten Sie es für selbstverständlich, das jemand – wir nennen sie Assistenten – die Stühle vorher hinstellen und hinterher wieder abräumen?“

Ihm als Rollstuhlfahrer biete der nicht bestuhlte Saal die Möglichkeit einer freien Platzwahl. er fragte das Publikum direkt, warum die Ausstattung mit Standardstühlen als selbstverständlich gelte, wohingegen er seinen Rollstuhl aufwendig beantragen müsse. Debatten über die Kosten der Behindertenhilfe rückte Gökeler mit seinen Ausführungen dahin, wo Menschen als angeblicher „Kostenfaktor“ abgewertet werden und von wo aus es nur noch ein kleiner Schritt ist bis hin zur menschenverachtenden Nazi-Ideologie.

Pfarrer Markus Blümel vom Team des „Ka.Re.“ berichtete von einer Exkursion seiner Firmlinge nach Fulda, wo er mit einer behinderten Teilnehmerin nach barrierefreien Zugängen zu Gebäuden und Gaststätten habe suchen müssen. „Das hat meinen Blick geschärft“, erklärte er. Die Katholische Kirche sieht der Pfarrer in der Pflicht, an das Beispiel des Münsteraner Bischofs Clemens August Kardinal Graf von Galen anzuknüpfen, der die sogenannte „Euthanasie“ der Nationalsozialisten 1941 mit scharfen Worten als unmenschlich gegeißelt hatte.

Den – von Mitgliedern der Arbeitsgruppe im Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zusammengestellten – Ausstellungsteil über Marburg stellte der Historiker Dr. Wolfgang Form bei der Ausstellungseröffnung kurz vor: Die sogenannte „Euthanasie“ sei nicht vom Himmel gefallen, berichtete er. Auf einem Zeitstrahl seien in der Ausstellung entsprechende Entwicklungsschritte und Maßnahmen zwischen dem Jahr 1907 bis hin zum Jahr 2025 vermerkt.

Begonnen habe die systematische Verfolgung angeblich „unnützer Esser“ mit der Zwangssterilisierung behinderter Menschen 1933. Im Alten Amtsgericht an der Marburger Universitätsstraße habe das sogenannte „Erbgesundheitsgericht“ bis 1945 mindestens 164 Urteile gesprochen, die dann in der Frauenklinik und – bei Männern – in der Urologie umgesetzt wurden. Das könne damals niemandem verborgen geblieben sein, erklärte Form.

Mindestens 333 Marburgerinnen und Marburger wurden zwischen 1939 und 1945 in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Sie kamen aus fast allen Stadtteilen Marburgs, berichtete Form. „Jeder kannte ein Kind oder eine Tante, die weggebracht wurden“, erläuterte der Historiker. „Alle müssen davon gewusst haben.“

An die Marburger „Euthanasie“-Opfer wird mit der Installation „Steine gegen das Vergessen“ erinnert. Für jedes Opfer wird der Namenszug mit Geburtsdatum und dem Tag der Ermordung in Hadamar auf einem Backstein angebracht. Die Station ist mit Unterstützung des Lebenshilfewerks Marburg-Biedenkopf entstanden. Zudem wird an die Opfer der NS-Zwangssterilisation erinnert.

„Die Steine sind zwar alle ungefähr gleich groß, haben aber alle eine unterschiedliche Form“, erläuterte Gökeler. Er bezeichnete sie als „Lehrmal“, das nach dem Ausstellungsende am 30. Oktober auch an anderen Orten in Marburg zu sehen sein sollte.

Mit eindringlichem Gesang verhalf Latoya Reitzner den Anwesenden zwischen den Reden dreimal zum Durchatmen. Dabei bezogen sich ihre Titel wie „The Sound of Silence“ auf die Themen, die bei der Vernissage zuvor oder im Anschluss behandelt wurden. Gebärdensprachdolmetscher begleiteten diese Veranstaltung ebenso wie Texte in Leichter Sprache und Audioguides die Ausstellung.

Um junge Menschen an das schwierige Thema heranzuführen, hatten die Veranstaltenden Freiwillige für „Peer-Rundgänge“ gesucht. Fünf junge Leute waren aus diesem Grund zur Ausstellungseröffnung gekommen und wurden dort mit großem Applaus bedacht. Weitere Freiwillige werden noch gesucht. Alle wichtigen Informationen zu dem Projekt finden Interessierte online auf http://www.marburgmachtmit.de/eugenik