Die Initiative „Krüppel gegen Rechts“ arbeitet intersektional – wir betrachten also auch das Zusammenwirken unterschiedlicher Diskriminierungen. Bei uns haben Ableismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Altersfeindlichkeit (oder Ageismus) sowie weitere Diskriminierungen keinen Platz!

Unserem Grundverständnis folgend, sind Diskriminierungen eine Folge gesellschaftlicher Machtausübung. Bei intersektionalen Diskriminierungen werden Diskriminierungen gegenseitig verstärkt zum Beispiel aufgrund von

  • Beeinträchtigungen
  • Geschlecht
  • Sexueller Orientierung
  • Alter
  • Klasse
  • Gewicht
  • Nationalität
  • Religionszugehörigkeit
  • Rassifizierung

In der Folge führen intersektionale Diskriminierungen häufig zu gesellschaftlichen Ausschlüssen: Kindern mit Beeinträchtigungen wird der inklusive Schulbesuch verwehrt, Frauen mit Lernschwierigkeiten wird nicht zugetraut, ein Kind zu bekommen, schwule Männer mit Beeinträchtigungen werden gemobbt etc.

Bei „Krüppel gegen Rechts“ arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Erfahrungshintergründen ohne Vorbehalte und Diskriminierungen zusammen. Auch Menschen ohne Beeinträchtigungen sind dabei.

Ja, die Bezeichnung „Krüppel“ ist ein negativ belegter Begriff, ein Schimpfwort, das bei vielen erst einmal Ablehnung auslöst. Es ist eine Bezeichnung, die (nicht nur) von Rechten und Rechtspopulisten benutzt wird, um Menschen mit Beeinträchtigungen als „Krüppel“ oder „Idioten“ herabzuwürdigen, ihnen Teilhaberechte, Menschenrechte und Existenzrechte abzusprechen. Deshalb verwenden wir diesen Begriff „Krüppel“ bewusst als einen Akt der Gegenwehr. Es ist eine Form des sogenannten „Reclaiming“, also der selbstbewussten Aneignung eines Schimpfwortes, um damit offensiv gegen unsere Abwertung einzutreten.

Wir verstehen den Begriff „Krüppel“ in einem sehr weiten und plakativen Sinne – er umfasst alle Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Beeinträchtigungen, die sich in unserer Initiative gegen Rechts engagieren wollen. Wer sich als Mensch ohne Beeinträchtigung solidarisch zeigen und als Verbündete*r auch unsere Initiative unterstützen will, ist in einem inklusiven Sinne ebenfalls herzlich willkommen – so wie die „Opas“ auch bei den „Omas gegen Rechts“ willkommen sind.

Abschließend möchten wir betonen: Es sei jedem behinderten Menschen natürlich selbst überlassen, wie er*sie sich selbst bezeichnet oder genannt werden will. „Krüppel“  ist für uns ein aktuell notwendiger Begriff, um uns gegen Rechts zu engagieren!

Als Prof. Dr. Sigrid Arnade und H.-Günter Heiden zum Schluss gekommen sind, dass es dringend eine Initiative behinderter Menschen gegen Rechts braucht, war ein zentraler Antrieb dafür, dass sie angesichts der wachsenden Behinderten- und Inklusionsfeindlichkeit nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange verharren wollen. So schilderte Sigrid Arnade beim ersten Online-Austauschtreffen der Initiative „Krüppel gegen Rechts“ am 23. Mai 2025 den Impuls, eine entsprechende Diskussion anzustoßen. Nach angeregten Diskussionen und mühsamem Suchen eines kurzen und knackigen Namens für eine behinderungsübergreifende Initiative wurde letztendlich „Krüppel gegen Rechts“ in Anlehnung an „Omas gegen Rechts“ in Kassel am 17. Mai 2025 gegründet. Dass diese Initiative einen Nerv trifft, das zeigt sich u.a. daran, dass beim ersten Online-Treffen 33 Menschen teilnahmen und viele Ideen entwickelten.

Bei der Mitmach-Tagung des Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos) am 16./17. Mai 2025 in Kassel wurde die Idee für die neue Initiative in einer Arbeitsgruppe engagiert diskutiert. Mittels vieler Gespräche am Rande der Tagung bis spät in die Nacht hinein, habe sich der Name „Krüppel gegen Rechts“ immer mehr herauskristallisiert. Auch wenn diese provokante und an die Krüppelbewegung der 70er und 80er Jahre angelehnte Bezeichnung für Diskussionen sorgen dürfte und sich nicht alle voll damit identifizieren könnten, zeigten erste Reaktionen, dass die Initiative auf großes Interesse und viel Wohlwollen stößt. Über 40 Personen hätten sich innerhalb weniger Tage gemeldet, um in den Verteiler der Initiative mit aufgenommen zu werden, berichtete beispielsweise H.-Günter Heiden.

Nachdem die Namensgebung „Krüppel gegen Rechts“ beim ersten Austauschtreffen bestätigt wurde, ging es darum, was nun zu tun ist, um aktiv zu werden und sich gegen Ausgrenzung und Hass zu wehren. Eine Homepage ist bereits eingerichtet und muss nun mit Inhalten gefüllt werden, eine Adresse für den Verteiler gibt es bereits, die Gründung örtlicher Gruppen, in denen man beispielsweise gemeinsam zu Demos gehen und sich gegen rechte Tendenzen vor Ort wehren kann, wurde genauso angeregt, wie eine internationale Zusammenarbeit. Ein Logo soll entwickelt werden und Statements von behinderten Menschen werden eingeholt. Zu tun gibt es also genug, wobei klar wurde, dass der Erfolg bzw. das Engagement der neuen Initiative vom Engagement einzelner Aktiver abhängt. Das nächste Online-Austauschtreffen findet am 6. Juni 2025 um 11:00 Uhr statt. Interessierte können sich in den Verteiler eintragen lassen und erhalten dann kurz vorher die Zugangsdaten.

Wer Interesse an der Aufnahme in den Verteiler der Initiative hat, kann eine Mail an hgh@krueppel-gegen-rechts.de schicken.

Propagandaplakat für Eugenik und Euthanasie, um 1938. (Deutsches Historisches Museum, Berlin)Der Umgang mit Behinderung nach 1945 in der DDR und Westdeutschland wurde am 22. und 23. Mai 2025 in Erfurt in der Gedenk- und Bildungsstätte Ettersberg Stiftung in einer Interdisziplinären Fachtagung in Vorträgen einem interessierten Publikum vorgestellt (siehe: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/veranstaltungen/der-umgang-mit-behinderung-nach-1945).

Dabei wurde auch der Blick vor 1945 nicht ausgelassen. Euthanasie wurde im Faschismus zur geplanten und systematischen Tötung von behinderten Menschen. Sogenanntes „Unwertes Leben“ wurde von der NSDAP unter „Finanzieller „Belastung“ angeprangert. Die Gedenkstätte Hadamar ist eine der zentralen NS-Gedenkstätten in Hessen und erinnert an die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen. Die Gedenkstätte ist weitgehend barrierefrei gestaltet:  www.gedenkstaette-hadamar.de/

Leben mit Behinderung. Ein Gespräch mit Steven Solbrig und Martin Theben auf der Fachtagung „Umgang mit Behinderung nach 1945 in Ost und West“: https://taz.de/Mit-Behinderung—beidseits-der-Mauer/!6090469/

Unter diesem Titel befasste sich eine Online-Veranstaltung der Humboldt-Universität zu Berlin am 21. Mai 2025 mit der Bedeutung des Rechtpopulismus für behinderte Menschen. Vor über 150 Zuhörenden sprachen die Referent*innen, Prof. Dr. Sigrid Arnade und Prof. Dr. Michael Zander mit anschließender Diskussion. Sigrid Arnade ging auf historische Erfahrungen, die Ideologie von Rechtspopulist*innen, den Perspektivenwechsel durch die UN-Behindertenrechtskonvention sowie Strategien der Gegenwehr wie „Krüppel gegen Rechts“ ein. Michael Zander entlarvte drei Tendenzen in der Behindertenpolitik der AfD:

  • Ausgrenzung: Behinderte Menschen werden als Belastung für die Gesellschaft dargestellt.
  • Instrumentalisierung: Behinderte Menschen werden gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgespielt. So wird behauptet, man solle Geld lieber zur Integration behinderter Menschen bereitstellen statt „eine Million Neubürger zu alimentieren“.
  • Vereinnahmung: Punktuell wird mehr Geld für behinderte Menschen gefordert.

Nach den Vorträgen diskutierten die Teilnehmenden Erklärungsansätze für den weltweiten Rechtsruck und Möglichkeiten des Widerstandes. Die Initiative „Krüppel gegen Rechts“ stieß auf reges Interesse.

Die Veranstaltung war Teil einer Dialogreihe der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Titel „HU_Körperdiskurse. Körper – Differenz – Gesellschaft“.

Eine Info zu der Veranstaltung ist hier zu finden:

https://www.reha.hu-berlin.de/de/lehrgebiete/kbp/hu_koerperdiskurse